«Gasse-Chuchi»: mehr als eine warme Mahlzeit

Esther Schönmann und Hans Ruedi Leuthold gründeten 2004 die Gassenküche Langenthal. Ihre Diplomarbeit «Sehn-Sucht», welche die Drogenproblematik thematisierte, brachte in Schönmann den Wunsch hervor, etwas für randständige Menschen zu tun. Trotz anfänglich vielem Gegenwind etabliert sich die «Gasse-Chuchi» als selbständiger Verein und die Betreiber bieten nebst warmen Mahlzeiten und Kleidern stets ein offenes Ohr an. Mit viel Herzblut engagieren sich mittlerweile acht weitere Freiwillige und unterstützen Schönmann.

Nach ihrer Scheidung arbeitete Esther Schönemann, Mutter von drei erwachsenen Kindern, als Verwaltungsangestellte in der Luzerner Psychiatrie in St. Urban. Dort traf sie viele kranke Menschen, welche sie um Rat baten oder ihr Herz bei ihr ausschütteten. So entschloss die damals 62-jährige Aarwangerin 2004, die Ausbildung zur psychologischen Lebenstherapeutin in der Lebensschule Thai su Lin bei Andreas Lüthi zu absolvieren. Ihr war vom ersten Abend an klar, dass sie ihre Diplomarbeit über die Drogenproblematik schreiben wollte.

Als angehende Lebenstherapeutin sprach sie während der Ausbildung mit ihren Patienten über deren Lebensweg, Krisen und Schwierigkeiten und zeigte ihnen Möglichkeiten auf, aus diesen schwierigen Situationen herauszukommen. Schönmann entdeckte allerdings bald, dass ihr das nicht genügte. Sie kam auf die Drogenthematik zurück. Es entstand ihre Diplomarbeit «SehnSucht». Der Fokus ihrer Arbeit: Wie geht die Gesellschaft mit randständigen Menschen wie beispielsweise Drogensüchtigen, psychisch Kranken und verarmte Sozialfällen um? Ihre Idee, etwas Sinnvolles für sogenannte «Randständige» zu unternehmen wurde in die Tat umgesetzt.

Die Gasse-Chuchi damals und heute

Gemeinsam mit Hans Ruedi Leuthold, damals noch Schwarzhäuser SP-Gemeinderat und leidenschaftlicher Hobby-Koch, gründeten sie als das sogenannte «Chrüütli-Team» das Gassenprojekt «Öppis Warms im Buuch». Auf dem Wuhrplatz in Langenthal, ein Ort an welchem die Leute aus der Szene sich für ein Bier und einen Plausch trafen, kochten und verteilten Schönmann und Leuthold von November 2004 bis Februar 2005 jeden Donnerstagmittag eine Mahlzeit. Zwischenzeitlich etablierte sich die Gasse-Chuchi als selbständiger, durch Spenden organisierter Verein. Mittlerweile helfen acht motivierte Mitarbeiter mit.

Die Gassenküche arbeitet mit dem Blauen Kreuz zusammen und wird vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), der Sektion Oberaargau-Emmenthal, Tischlein Deck Dich und der Schweizer Tafel unterstützt. Nebst warmen Mittagsmahlzeiten in einem Jugendraum organisiert die Gasse-Chuchi viele interessante Anlässe wie zum Beispiel eine jährliche Weihnachtsfeier. Seit einem Jahr wird dort aber auf ein Essen verzichtet aufgrund von Covid-19. Gegenwärtig gibt es am Mittwoch Mahlzeiten und Kleider werden vermehrt an Migrantinnen und Migranten verteilt. Pro Abgabe werden manchmal bis zu hundert Tragtaschen gefüllt. 

Gegenwind

Von der Stadt Langenthal wurde die Gassenküche anfangs geduldet, aber nicht unterstützt. Die Coop-Filiale in der Nähe sträubte sich, der Gassen-Chuchi bei Regen Schutz unter dem Vordach zu gewähren. Auch aus Schönmanns persönlichen Bekanntenkreis erhielt sie kaum Unterstützung. Die Behörden teilten ihr mit, dass sie mit ihrem «Akt der Nächstenliebe» lediglich dazu beitrage, dass die Betroffenen ihr gespartes Geld in Drogen und Alkohol investieren. Da dachte Schönmann: «Jetzt erst recht». 

«Jetzt erst recht»

Esther Schönmann

Schönmann erklärte zu Portrait: Entgegen der weitverbreiteten Meinung leben Randständige nicht aus Faulheit am Rande der Gesellschaft. Es gibt versteckte Notsituationen, diese können unter anderem auch entstehen, weil eine Gelegenheit fehlt, darüber zu sprechen. Die «Gasse-Chuchi» bietet vor allem Wertschätzung und ein offenes Ohr. Von der Stadt Langenthal wird sie finanziell bis heute nicht unterstützt. 

«Nach dem ersten Winter musste ich nochmals zur Stadt, um zu berichten, wie es gelaufen sei. Wir hatten nur gute Erfahrungen gemacht. Ich wurde gefragt: «Was nun?» Ich antwortete: «Wir machen weiter!»

«Geld von der Stadt gab es nicht. Dafür gingen wir auf den Monatsmarkt und versendeten Briefe an Kirchgemeinden, Vereine, Firmen und Privatpersonen. Nur so kamen wir zu Spenden und nur so konnten wir existieren. Ich fand es wichtig, weiter zu machen. Es war eine dankbare Sache und die Personen waren sehr dankbar. Das war vor 16 Jahren. Langsam kamen Helfer dazu und das ganze Projekt wuchs. Es ist nur möglich, so lange ein Projekt zu führen, wenn es mit dem Herzen gemacht wird. Anders wäre es nicht möglich gewesen. Die Clientele hat sich in den letzten Jahren verändert. Viele von den «Gassenleuten» sind verschwunden oder gestorben. Nur noch wenige von damals sind noch da. Wir hatten viele interessante und lustige Abenteuer zusammen. Aber auch Trauriges mussten wir verarbeiten

Schöne Momente 

Im Januar 2015 ehrte das SRF Studio das Projekt «Verein Gassechuchi Langenthal» bei der Aktion «Helden des Tages» mit dem ersten Preis. Auch in einem Interview bei «Persönlich» und «Aeschbacher» durfte Schönmann ihre Geschichte erzählen. Schönmann erzählt freudig: «Ich bekam anlässlich dieser Ereignisse sehr viele Kleider-, Esswaren- und Geldspenden. So wurde unsere Freiwilligenarbeit doch grossartig belohnt.» 

Vor zehn Jahren stellte die Stadt ausserdem einen Raum als Warenlager für die Esswaren im Waaghaus zur Verfügung und vor sechs Jahren einen zweiten für die gespendeten Kleider. Von Privatpersonen, Bauern, der «Schweizer Tafel», diversen Detailhandelsgeschäften und Bäckereien erhält die Gassenküche Lebensmittel. Schönmann kann dadurch den Food-Waste ein bisschen eindämmen. 

Mehr über Esther Schönmann und die «Gasse-Chuchi» findest du hier.

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